Die Spannung war von Beginn an zu spüren, als sich die Schülerinnen des Französischkurses der Klasse Es am Mittwoch, den 26. April zur Schuljury im Rahmen des Prix des lycéens allemands versammelten, um hier über den besten französischsprachigen Jugendroman des Jahres 2017 abzustimmen.
Nach kurzen Präsentationen der vier ausgewählten Bücher debattierten die Jurorinnen vor einem kleinen, aber interessierten Publikum sehr überzeugend über Themen wie Inhalt, Charaktere, Schreibstil und Bedeutung der einzelnen Bücher. Wie bei den französischen Präsidentschaftswahlen standen nach dem ersten Wahlgang zwei Finalisten fest, über die ausgesprochen leidenschaftlich diskutiert und abgestimmt wurde. Am Ende konnte sich der Roman La Traversée von Jean-Christophe Tixier, der die Flüchtlingsthematik sehr anschaulich aus der Sicht von Betroffenen darstellt, knapp vor dem zweitplatzierten Buch durchsetzen.
Schließlich wurde Annika als die Delegierte gewählt, die La Traversée bei der Landesjury in Kiel am 30. Mai verteidigen wird. Ursula ist ihre Stellvertreterin.
Hier stellt Annika, die sich auch als Juniorbotschafterin für das Europäische Parlament engagiert, das Buch vor:
La Traversée als neuer Blickwinkel in der europäischen Flüchtlingskrise
La Traversée beschreibt die Flucht eines jungen, afrikanischen Mannes und seinen Weggefährten nach Europa. Dabei wechselt die Perspektive ständig, da jedes Kapitel aus Sicht eines anderen Charakters erzählt wird. Dadurch ist es dem Autor sehr gut gelungen, den Leser immer wieder erleben zu lassen, was so viele Menschen, die momentan den Weg nach Europa suchen, antreibt, und was sie durchmachen müssen. Die Handlung, die nicht chronologisch erzählt wird, beginnt und endet mit einem gekenterten Boot zwischen Libyen und Italien. Die Flüchtlinge wissen nicht, ob und von wem sie gerettet werden. Sie fragen sich: Werde ich es schaffen? War alles umsonst? Wenn ich zurückgebracht werde, hätte ich die Kraft, eine neue Flucht zu versuchen?
Durch das offene Ende wird der Leser animiert, sich ebenfalls diesen Fragen zu stellen.
Das Thema Flüchtlinge ist auf europäischer Ebene höchst aktuell und wird kontrovers diskutiert. Aus politischer Sicht kann - glaube ich - jeder etwas zu dem Thema sagen, doch dieses Buch ermöglicht, sich auch einmal mit der Sichtweise afrikanischer Flüchtlinge auseinanderzusetzen.
In meinen Augen könnte dieses Buch, wenn ins Deutsche übersetzt, in verschiedensten Fächern behandelt werden, wie zum Beispiel Wirtschaft-Politik oder Deutsch. Europa ist in dem Buch als Licht am Ende des Tunnels, als Hoffnung auf ein besseres Leben, für das Menschen ihr eigenes Leben riskieren, beschrieben.
Das ist auf jeden Fall anders, als wir es sehen und vielleicht auch anders, als die Realität, die die Menschen, die diese Überquerung (Traversée) auf sich nehmen, erleben werden. La Traversée bietet dem Leser die Möglichkeit, sich zu öffnen und die innere Grenze, die manche Europäer sicherlich gegenüber Flüchtlingen besitzen, zu überwinden, ja zu überqueren. Das ursprünglich auf Französisch geschriebene Buch ist auch ein Beweis, dass in anderen europäischen Ländern das Thema die Menschen ebenso beschäftigt wie hier, und dass in ganz Europa diese neuen Perspektiven wichtig sind, um in sich und mit den Flüchtlingen zu wachsen.
Beim prix de lycéens wird demnächst in Kiel und anschließend in Frankfurt am Main darüber diskutiert, welches von vier französischen Büchern ins Deutsche übersetzt werden soll.
Ich hoffe, es wird La Traversée.
Annika